Donnerstag, 6. August 2020
Sommer. Endlich!
Diese heissen, hellen Tage, an denen man sich so träge fühlt, so gebremst, dass selbst das Denken langsam geht und die Gedanken sich anfühlen, wie warme, aufgeblähte Wattebausche.

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Ich mag den Sommer. Ich habe auf die heissen Tage gewartet. Früher war das anders, da habe ich viele, viele Kilos mehr auf den Knochen gehabt und bereits der Gedanke an einen Einkauf, die Fahrt in dem heissen Auto, der sonnenverbrannte Parkplatz vor dem Supermarkt, haben mir Schweissperlen auf die Stirn getrieben. Heute ist das anders, heute friere ich an 8 von 10 Tagen und brauche fast immer eine Jacke. Was Gewicht mit dem Körper macht, weiss ich nun genau und ich will nie wieder dick sein und unbeweglich, schwitzig und von allen hämisch ausgelacht.

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Die Hunde haben beide in den letzten beiden Tagen den Freischwimmer gemacht. Die pure Lebensfreude sprüht aus ihren Augen, wenn sie am Ufer der Leine entlang flitzen, Bälle aus den Fluten holen und sich tropfend schütteln. Mir jubeliert das Herz beim Zusehen. Meine eigene, verdorbene Kindheit habe ich bereits zigfach an fünf Hunden gutgemacht, diese beiden, meine letzten, denn wenn sie mal gehen müssen, bin ich in Rente und eine alte Frau sollte keine Hunde mehr aufziehen und vielleicht vor ihnen unter die Erde gehen, diese letzten beiden, werden mit Glück geradezu überschüttet und dieses Glück kehrt immer wieder zu mir zurück.

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Der Urlaub im Ruhrgebiet war, nunja, anstrengend. Der Campingplatz in Essen lag mitten in der Stadt und die Hunde waren sehr ängstlich angesichts des Verkehrs und der Menschen. Die Mutter, meine Mutter, nun über neunzig, kann nur im Rollstuhl aus dem Haus und ist sehr klapprig. Es tut weh, das Alter zu sehen, die Gebrechlichkeit und die Schmerzen und es macht Angst vor dem eigenen Alter. Ich habe nichts vergessen, von damals, aber verziehen. Wer weiss, was sie im Krieg miterlebt und durchgemacht hat, wer weiss, wie ihre Eltern waren und mein Vater war auch nicht einfach. Sie ist auch nur eine Seele unter vielen anderen, die einfach nicht anders konnte, es vielleicht nie anders erlernt hat. Und wer bin ich, einer so alten Frau Vorwürfe zu machen? Ich kann das nicht (mehr). Wir tun, als wäre nie was gewesen und ich werde auch wieder hinfahren - oft wird es wohl nicht mehr gehen.

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September geht es wieder eine Woche in Urlaub. Mit den Hunden an die Mecklenburgische Seenplatte. Naturcamping mitten im Wald. Ich freu mich schon und hoffe, dass es nicht nur regnen wird. Allerdings ist Wetter eben Wetter und man wird das schönste draus machen.

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Sommer!

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Freitag, 10. Juli 2020
Bodycheck. Grün. Rotweiss.
Wann kommt er denn endlich, der richtige Sommer? Dieses bisschen Frühling kann doch nicht der volle Ernst sein.

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Zwei blutige Arthroseknie habe ich, weil die Hündin, auf dem Weg hinter dem Ball her, in mich reingerannt ist und mich auf den Asphalt schmetterte. Wer eine Entschuldigung erwartet: gibt es bei Hunden eher nicht.

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Die eine Klinik in der Nähe hat plötzlich keine Chefärztin mehr und operiert erst wieder im Oktober. Die andere, eine gute Stunde Fahrt entfernt, antwortet weder auf Anrufe noch auf zwei Mails.
Ist ein wenig wie mit der Neurologin: erst hat man meinen Termin, auf den ich ein halbes Jahr gewartet habe, gar nicht eingetragen, dann durfte ich dennoch bleiben und wartete vier Stunden. Folgetermin ähnlich. Ein Rückruf der Ärztin dauerte eine Woche und dann sagte sie zu allererst, sie rufe nicht an, um sich zu entschuldigen. Klingt nach Hund, oder?!

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Der schreckliche, wunderschöne Wald ruft mich immer wieder. Das furchtbare Gefühl klingt ab, wird jedesmal ein wenig milder. Der schöne Weg durch die menschenleere Stille, vorbei an Grün und noch mehr Grün und an tausend jungen Bäumchen, ist wunderbar und gefällt auch den Hunden. Nur an einer Stelle hört man die hinter Wildzäunen liegende Autobahn und sieht auch das Blitzen von Autokarossen. Früher gab es einen Weg für Wartungsarbeiten. Von der Schranke ist nur ein rotweisser Schriftzug geblieben, der ahnen lässt, wie lange das her ist.

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Samstag, 4. Juli 2020
Sommer

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Dienstag, 30. Juni 2020
42
Jahre ist her, da bin ich mit meinem ersten Hund durch diesen Wald gestromert. Es gab so vieles zu entdecken, so viele Wege, Felder, im Dickicht versteckte Winkel. Es war eine so grosse Welt, dass es egal war, nie aus diesem 400-Seelen-Kaff rauszukommen. Egal, dass nur drei Busse am Tag fuhren. Egal, dass wir, dumm wie wir waren, lieber zu einem Flecken gehören wollten, als zur etwas grösseren Kreisstadt, und somit eben auch immer nur ein Kaff, gehörig zu einem weiteren Kaff, bleiben würden.

Heute kann ich durch diesen Wald nicht mehr mit meinen Hundemädels gehen, ohne dass mir hinterher die Brust brennt und zieht und ich unsagbar traurig bin und irgendwie unmöglich einsam. Damals, da hatte ich meinen allerersten Freund - drei Jahre waren wir zusammen - und natürlich erlebten wir alles, was junge Paare so erleben. Ich war damals auch traurig und irgendwie alleine, aber es hatte einen echten Grund und wenn ich gewollt hätte, hätte mich das Jugendamt abgeholt und betreut. Ich wollte aber nicht. Oder vielleicht konnte ich auch nicht, so scheu und alleine wie ich war.

Damals, da war ich voller Ideen, hatte Träume, Wünsche, hatte eine heimlich ausgedachte, tolle Zukunft. Alles war möglich. Ich glaubte fest daran. Dass das nicht so war, weiss ich heute. Und auch das tut weh in der Brust, ist aber nicht gravierend - wer hat schon seine Jugendträume wirklich gelebt? Ich kenne niemanden.

Heute war ich wieder in diesem Wald. Er ist verwildert, viele Wege gibt es nicht mehr und überall stehen Wildschutzzäune. Die Hunde fanden es toll, ich auch, aber ich wusste, dass mich dieses mieses, beschissene Gefühl wieder einholt. Und wieder war das Kaff, ein bisschen grösser als damals, ausgestorben. Niemand zu sehen, ein paar parkende Autos, aber keine Menschen. Das Dorf selbst so wie damals. Die Strassen so eng und klein wie damals. Und doch ist alles anders.

Und den Freund von damals, den allerersten überhaupt, kann ich nirgends finden. Als ob es ihn nie gegeben hätte. Ich kann mich erinnern, wie er damals aussah, aber ob ich ihn heute noch erkennen würde? Fragwürdig. Und nirgendwo finde ich ihn. Kein Telefonbucheintrag, kein Facebook, kein nix.

42 Jahre. Und nichts ist geblieben. Nur brennende Brust und inneres Weh. Ich sollte es lassen. Nie wieder in diesem Wald spazieren gehen. Nie wieder dran denken.

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Dienstag, 23. Juni 2020
Urlaub macht traurig
Auf dem Rückweg mussten wir wegen der Überhitzung des Motors unseres ziemlich alten Wohnmobils auf Steigungen und im Stau ab Fulda über die Landstrasse fahren. Dorf, Dörfchen, Städtchen, olles Drecksnest, Dorf, Dorf, Dörfchen und so weiter und so weiter.

Die Sonne ging langsam unter, das Licht war schon weich und sanft und die Fenster der Häuser spiegelten nur noch schwach und blass. Wie viele Leben hier vergehen, einfach so, ohne an der Welt teilzunehmen? Leben, die in jedem einzelnen Tag verrinnen, einfach dahintropfen, als würde ein alter Wasserhahn im Keller undicht sein und Jahr für Jahr sein "Klopf-Klopf" im Ausguss verschwinden.
Wieviele Menschen leben hier fernab der Welt und kaum jemand weiss, dass es sie gibt?

Und ich selbst? Ich lebe auch in einem Dorf nahe einem Städtchen. Ich lebe mein Leben und nur dieses. Keine Welt bei mir daheim. Keine Abenteuer oder grossartige Heldentaten. Nur ein Leben unter vielen in einem Dorf, von dem kaum einer weiss, geschweige denn von mir.

Ist das nicht furchtbar? Ist das nicht fürchterlich schön? Ich weiss von dem kleinen, winzigkleinen Licht, das ich bin. Es macht mich manchmal traurig in all der alltäglichen Mühsal. Aber andererseits ist es nicht schlimm, wenn mir ein Fehler passiert. Oder ich keine Lust habe. Oder mir die Welt am Arsch vorbeigehen kann. Ich tue, wie ich mag und kann und kaum einen stört es. Ist doch eigentlich prima, trotz der mich manchmal packenden Traurigkeit.

Das kleine Licht arbeitet seit gestern wieder. Ja, Urlaub macht traurig. Besonders am ersten Montag danach. Aber dann geht es wieder. Muss ja. Immer weiter und weiter. Immer nach vorn. Nie nach hinten.

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Beide Hündinnen läufig. Sie tropfen munter dahin und verrenken sich, um den Popo sauber zu halten. Eine verfressen wie dumm, die andere ohne Lust auf Essen. Der Nachbarsrüde klettert über den Maschendrahtzaun und steht dann vor einer verschlossenen Stahltür. Armes Ding. :-)

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Freitag, 12. Juni 2020
Eine Woche weg
Fertig mit allem. Job. Packen. Aufräumen. Ringsrum alle und alles versorgen. Eine Woche weg. Fein, fein.

Habe ich mir verdient.

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Mittwoch, 10. Juni 2020
Nur Rumgerenne. Und Arbeit.
Solche Tage wie heute sind so richtig scheisse. Von frühmorgens an nur am Rennen und Machen und kein Ende in Sicht.

Einfach kein Ende in Sicht.

Bis zur Rente auch noch ewig.

Ich mag nicht mehr. Ich will frei haben.

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